Die Handwerksbetriebe in Deutschland können sich vor Aufträgen kaum noch retten, denn die Baubranche boomt. Das Problem ist nur, dass ihnen die Mitarbeiter*innen fehlen. „Der Fachkräftebedarf ist riesig“, sagte der Präsident des Zentralverbands des Deutschen Handwerks (ZDH), Hans Peter Wollseifer. Doch woran liegt das? 

Was ist ein Fachkräftemangel?

Der in Deutschland als “Fachkräftemangel” bezeichnete Mangel an Personen mit abgeschlossener Berufsausbildung ist eigentlich ein “Fachkräfteengpass”. 

Anders als beim Fachkräftemangel fehlen die Fachkräfte beim Engpass nicht dauerhaft.

Im Handwerk liegt laut Definition bei den Fachkräften dann ein echter Engpass vor, wenn für eine gemeldete freie Stelle weniger als zwei Arbeitslose zur Verfügung stehen.

In vielen Handwerksbranchen sind aufgrund des Fachkräfteengpasses mehr Stellen offen, als Bewerber vorhanden sind. Regional sind die Fachkräfteengpässe im Handwerk in Bayern, Baden-Württemberg und Teilen Niedersachsens am größten.

Umfrage

Handwerkliche Berufe stehen laut einer Umfrage der ManpowerGroup zufolge ganz oben auf der Liste der am schwierigsten zu besetzenden Stellen. Noch schwieriger haben es nur die Facharbeiter-Jobs. Demnach werden ausgebildete Fachkräfte wie Zimmerer*in, Mechaniker*in und Elektriker*in weltweit händeringend gesucht.

Wie entsteht Fachkräftemangel?

Die Abnahme von qualifiziertem Personal entsteht häufig durch einen Wandel der Gesellschaft. Dabei nimmt die Zahl der qualifizierten Arbeitskräfte z. B. aufgrund schlechter Bildungsstandards ab. Zunächst führt diese gegensätzliche Entwicklung von Angebot und Nachfrage.

Es wird immer schwieriger, Arbeitnehmer*innen, die in den Ruhestand gehen, durch junge Mitarbeiter*innen zu ersetzen. Laut der Umfrage hat das Handwerk bei jungen Menschen noch immer mit einem Imageproblem zu kämpfen. Dies sei ebenfalls ein Grund weshalb 54.000 Stellen für Ausbildungssuchende nicht besetzt wurden. 

Studie 

Das Kompetenzzentrum Fachkräftesicherung (KOFA) hat eine Studie zum Fachkräftemangel im Handwerk veröffentlicht. Demnach fehlen in Deutschland im Handwerk ca. 65.000 Fachkräfte, davon allein 54.000 Gesellinnen und Gesellen. 

Corona-Pandemie 

Laut der Studie kommt das Handwerk besser durch die Corona-Krise als andere Berufsbereiche. Die Arbeitskräftenachfrage im Bauhandwerk stieg gegen Ende des letzten Jahres durch den weltweiten Bau-Boom, der teilweise durch die Corona-Pandemie ausgelöst wurde, weiter an. Aus diesem Grund wird Nachwuchs dringend gesucht. „Es ist deutlicher denn je geworden, wie attraktiv und verlässlich Handwerksberufe sind, denn sie bieten auch in Krisenzeiten eine sichere Perspektive“, kommentierte Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) die Ergebnisse der KOFA Studie. Eine wichtige Erkenntnis aus der Corona-Zeit: Das Handwerk ist krisenfest und damit für junge Menschen eine sichere Option im Hinblick auf die Berufsplanung. 

Folgen

Im vergangenen Jahr haben Handwerksbetriebe knapp 130.000 neue Ausbildungsverträge geschlossen, etwa 10.000 weniger als im Vorjahr. Knapp 22.000 Ausbildungsplätze wurden nicht besetzt, trotz 18.000 unversorgten Bewerber*innen. Durch den Fachkräftemangel im Handwerk müssen Konsument*innen lange Wartezeiten in Kauf nehmen und auch mit fehlenden Leistungen rechnen. Dies gilt ebenfalls für andere Branchen, die in Wertschöpfungsketten eng mit dem Handwerk verbunden sind. 

Neben der Tatsache, dass die Branche händeringend um Nachwuchs kämpft, sind auch 5.500 Meisterstellen nicht besetzt. Im Jahr 2020 gab es, trotz der Corona-Krise, für jede zweite Meisterstelle keine passend qualifizierten Arbeitslosen, mit denen man diese Stellen hätte besetzen können. „Jugendliche wissen viel zu wenig über die vielfältigen und zukunftssicheren Möglichkeiten im Handwerk. Ein Meistertitel ist die denkbar beste Absicherung gegen Arbeitslosigkeit.“, so ZDH-Präsident Hans-Peter Wollseifer. 

Lösungsansätze

Wirtschaftsminister Altmaier fordert gezielte Berufsorientierung in den Schulen, denn die Attraktivität und Verlässlichkeit dieser Branche sollte Jugendlichen verdeutlicht werden, damit das Handwerk weiterhin zukunftsfähig bleibt. Schüler*innen sollten besser über die Karriere- und Fortbildungschancen im Handwerk informiert sein. Die Kofa-Experten empfehlen durch eine verbesserte Berufsorientierung an Schulen sowie eine breitere Aufklärung von Eltern und Lehrer*innen stärker für die duale Berufsausbildung zu werben. Da in Corona-Zeiten kaum Praktika oder Ausbildungsmessen stattfinden konnten, müssten hier auch neue digitale Wege erprobt werden. Passend dazu setzt sich der Zentralverband des deutschen Handwerks (ZDH) bereits seit Jahren mit einer ansprechenden Kampagne für die Imagesteigerung des Handwerks bei Jugendlichen ein.

Fazit

An dem Punkt, an dem heute Auszubildende in Unternehmen fehlen, fehlen morgen die Fachkräfte. Deshalb sollten erfolgreiche Unternehmen jetzt vor allem in eine attraktive Ausbildungen investieren. Bislang hat das Handwerk beim Nachwuchs noch ein Imageproblem, dennoch ist das Ansehen des Handwerkerberufs in der Bevölkerung sehr hoch. Schließlich zählen 38 Prozent der Deutschen laut der Allensbacher Berufsprestige Skala das Handwerk zu den fünf Berufen, die sie am meisten schätzen.

Viele junge Arbeitskräfte entscheiden sich heute für eine höhere Ausbildung, beispielsweise an einer Fachhochschule, oder eine Ausbildung in einer anderen Branche, sodass die klassischen Lehrberufe des Baugewerbes an Attraktivität verloren haben. Es zeigt sich, dass Handwerksbetriebe von den aktuellen Engpässen am Ausbildungsstellen- und Arbeitsmarkt überdurchschnittlich stark betroffen sind. Die Ergebnisse der Studie verdeutlichen, dass in den Handwerksbetrieben die Umsetzung von neuen Personalstrategien immer dringlicher werden.

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Manchmal können Betriebe Ausbildungsplätze nicht besetzen, weil sie zum Beispiel keine passenden Ausbildungssuchenden finden. Hier greift die Assistierte Ausbildung. Mehr Infos: https://www.arbeitsagentur.de/…/assistierte-ausbildung…