Bäume sind Lebewesen, aber können sie mit anderen Lebewesen kommunizieren? In Leipzig ist es erstmals gelungen nachzuweisen, wie sich Bäume bei einem Schädlingsbefall Hilfe holen. Forscher:innen haben die Hilferufe von Bäumen in einem Experiment außerhalb des Labors näher untersucht. Denn wenn Bäume Beispielsweise von Schädlingen befallen werden, senden sie Duftstoffe aus, die Vögel und Insekten anlocken, damit diese dann wiederum die Schädlinge vertilgen.

Das Experiment

Die Forscher:innen haben für das Experiment mit einem 40 Meter hohen Kran Duftstoffe aus den Baumkronen geholt. Solche Studien in der realen Natur sind nur schwer durch Tests im Labor zu ersetzen und versprechen viel genauere Forschungsergebnisse.

Im Leipziger Zentrum für integrative Biodiversitätsforschung, kurz iDiv. hat Chemie-Ökologin Nicole van Dam ihre Proben ausgewertet. Sie leitet die Gruppe „Molekulare Interaktionsökologie“. Die Chemie-Ökologin hat zusammen mit ihrem Team untersucht, wie genau Bäume dabei vorgehen, um sich gegen Schädlinge zu wehren. Durch die Untersuchungen in der Natur konnten sie nachweisen, dass Bäume chemische Stoffe benutzen, um eine Art Hilferuf abzusetzen. Per Geruchsabsonderung solcher Botenstoffe informieren Bäume unter anderem Vögel, dass es bei ihnen Nahrung gibt. „Das kann man sich vorstellen wie ein Reklameschild, das geschwenkt wird, eine unsichtbare Duft-Annonce, die Vögel zum richtigen Ast lenkt„, veranschaulicht die Chemie-Ökologin. Es ist zu verstehen als ein Zusammenspiel der Natur, schließlich wäre es ohne dieses “Signal” des Baumes auch für die Vögel schwer, die Schädlinge in den Blättern zu finden.

Dieser Prozess vom Schädlingsbefall bis zum Hilferuf geht sehr schnell, erklärt die Chemie-Ökologin. Die Bäume sind quasi selber in der Lage festzustellen, woher seine Verletzung kommt. Stellt der Baum dann fest, dass es sich um Fraßschädlinge handelt, setzt er seine Duftnote also sein “Signal” an die Vögel ab. Die Reaktionen lassen sich nicht für alle Bäume verallgemeinern. Nadel- und Laubbäume sind zum Beispiel für unterschiedliche Reaktionen bekannt: „Von Nadelbäumen weiß man auch, dass sie, wenn sie die Eiablage von Schädlingen registrieren, entsprechende Parasiten anlocken, wie Schlupfwespen„, sagt die Chemie-Ökologin.

Die Sprache der Natur

Die Chemie ist ihrer Meinung nach die Sprache der Natur. Das aus dem Experiment gewonnene Wissen, wird zum Beispiel für den Obstanbau in der Landwirtschaft genutzt. „Wenn wir wissen und verstehen, worauf Vögel reagieren, können wir die Bäume besser sichtbar machen, indem wir sie mit entsprechenden Geruchsstoffen anlocken. Dann können wir Vögel zur Schädlingsbekämpfung einsetzen.“ 

Studien im Labor können die Abläufe in einem realen Wald nicht komplett abbilden. Deshalb war dieses Experiment in den Wäldern von Leipzig sehr hilfreich, denn Trockenheit, Temperaturunterschiede, Wetterextreme und Schadstoffe aus der Luft gibt es im Labor nicht. Die Forscher:innen konnten im Leipziger Auwald mit eigenen Augen beobachten, wie die Bäume dort tatsächlich versuchen, mit Düften Vögel und Insekten anzulocken, um lästige Plagegeister loszuwerden.