Annalenas Weg ins Handwerk begann nicht mit einem Lebenstraum, sondern mit Schmierfett – und einer allergischen Reaktion. Ursprünglich wollte sie Fluggerätemechatronikerin werden. Doch nach einem Praktikum in der Metallverarbeitung war klar: Das wird’s nicht. Auf den Tipp ihrer Mutter hin landete sie in einem „Holzbetrieb um die Ecke“. Zwei Wochen Ferienjob in der Zimmerei – und es war um sie geschehen. „Holz ist lebendig“, sagt sie. „Es spricht mit einem.“ Ob Haptik, Geruch oder Vielseitigkeit – das Material Holz hat sie sofort begeistert. Und der entscheidende Moment? Kam mitten im Ferienjob: Zwei Altgesellen, die ihr Verantwortung übertrugen, sie förderten und ganz selbstverständlich mitarbeiten ließen. Das war der Auslöser – und der Anfang einer Berufung.

Keine Frau fürs Handwerk? Von Absagen, Vorurteilen und echtem Teamgeist

Klingt nach Erfolgsgeschichte, aber der Weg dorthin war steinig. Die größte Herausforderung für Annalena war nicht etwa die körperliche Arbeit, sondern: eine Lehrstelle zu bekommen. Von dutzenden Bewerbungen blieben die meisten unbeantwortet. Manche Betriebe machten kein Geheimnis daraus, warum sie absagten: „Keine Frauen.“ Mit Beharrlichkeit und der Unterstützung ihrer Mutter (die sie liebevoll „Bewerbungstour-Mitfahrerin“ nennt) fand sie schließlich 2013 ihren Ausbildungsbetrieb. Dort zählte nur eins: Teamarbeit. Und kein Mensch stellte infrage, ob eine Frau auf die Baustelle gehört. Heute sagt sie: „Ob ich sechs oder zehn Dachlatten auf der Schulter trage, ist doch egal – das macht keinen Zimmermann aus.“

Sichtbar für den Nachwuchs – auf Instagram und im echten Leben

Annalena teilt ihren Arbeitsalltag als Zimmerin mit über 18.000 Followern auf Instagram – aus einem ganz persönlichen Grund: 2020 kaufte sie mit ihrem Partner ein altes Fachwerkhaus. Während der Corona-Zeit war Besuch kaum möglich, also wurde Instagram zur Plattform, um Freunde und Familie auf dem Laufenden zu halten. Dass daraus ein wachsender Account wurde, war Zufall – aber auch Chance. Denn als sich der Fachkräftemangel nach Corona zuspitzte, wollte Annalena nicht nur zuschauen. Sie nutzt Social Media gezielt, um zu zeigen: Handwerk ist vielseitig, spannend und sinnstiftend. Besonders für junge Frauen, die sich vielleicht noch nicht trauen. „Wir brauchen Leute – und das darf nicht aussterben.“ Ihr Ziel? Kein Fame, kein Influencertum, sondern Austausch, Inspiration und Nachwuchsgewinnung. Und wenn dann eine Nachricht kommt, in der steht: „Wegen dir habe ich mich beworben“, dann weiß sie, wofür sie’s macht.

Digitalisierung? Ja – aber bitte sinnvoll

In Sachen Digitalisierung ist Annalenas neuer Betrieb im Aufbau. WhatsApp wird zurzeit zur Koordination genutzt. Weitere Tools zur Zeiterfassung und Dokumentation stehen im Raum. Investitionen in neue Firmengebäude und Brandschutz haben aktuell Vorrang. Doch Annalena sieht: Betriebe, die heute online sichtbar sind, sichern sich jetzt schon Azubis für 2026. Ihre Social-Media-Aktivität hat auch ihren Chef überzeugt – Gespräche laufen, ob sie in Zukunft das Firmenprofil übernimmt. Dass der Betrieb mitzieht, ist für sie ein Glücksfall. „Mein Chef repostet meine Storys – das war früher undenkbar.“

Zimmerin mit Botschaft: „Du brauchst keine Erlaubnis, um du selbst zu sein.“

Annalena will Vorbild sein – nicht, weil sie eine Frau ist, sondern weil sie mit Herzblut bei der Sache ist. Ihre Botschaft an junge Frauen: „Du brauchst keine Erlaubnis, um Zimmerin zu sein. Wenn du das willst, mach es. Wir haben Arme, Beine und ein Gehirn – alles, was man zum Arbeiten braucht.“ Was früher noch nach Außenseiterrolle roch, wird heute zur Inspiration: Mit Humor, Ehrlichkeit und Kompetenz bricht sie Klischees auf – und zeigt, dass Handwerk kein Männerding ist. Sondern Menschensache.